Montag, 1. August 2011

joerg-olaf schaefers.

die nominierungskommission des grimme online award trifft sich alle jahre wieder im frühjahr in einem angenehm unscheinbaren hotel in düsseldorf; nur marl könte noch unscheinbarer sein. im hotel günnewig esplanade sitzt man einmal einen und dann noch mal zwei tage in einem konferenzraum und diskutiert miteinander webseiten, die man vorher tage- und nächtelang angeguckt hat, und die frage, was denn genau 'publizistischen qualität im netz' ausmacht.

ich bin seit 2009 in der nominierungskommisson - genau wie joerg-olaf schaefers. joerg-olaf, ronnie grob und ich, wir waren in dem jahr die drei neuen, die drei blogger im gremium. wir scherzten am allerersten tag zunächst noch darüber, dass wir den preis jetzt ja quasi so manipulieren könnten, wie alle das ohnehin immer unterstellen - und waren - logisch!- von da an meist komplett unterschiedlicher meinung. nix da mit der united blogger front.

joerg-olaf und ich haben uns besonders ausdauernd gestritten, jedes jahr wieder. wie das halt so ist, wenn zwei leute aufeinander treffen, die beide jeweils gerne das letzte wort haben, und gewohnt sind, das normalerweise auch zu bekommen. joerg-olaf hat gerne diskutiert, auch um des diskutierens willen. er war konsequent und bockig und ab einem gewissen punkt in einer debatte durch und durch emotional in seinen begründungen, gegen die man dann gar nicht mehr anzureden brauchte, weil man sowieso nirgendwo hin mehr kam. nicht selten rollten wir beide nach einer abgebrochenen diskussion mit den augen und schmollten vor uns hin; frustriert, weil wir den anderen nicht hatten überzeugen können.

joerg-olaf hatte ein herz für skurile webseiten und underdog-projekte, er hasste bestimmte leute und haltungen, hatte klare freund- und feind-bilder. oft konnte er was zu beteiligten und historie eines projektes erzählen, weil er die leute aus den frühen jahren des netz kannte, oder irgendwelchen klatsch und tratsch. und parallel zur lebhaften diskussion im konferenzraum führte er grundsätzlich auch noch hochkomplizierte debatten in den kommentaren auf netzpolitik.

ich bin einigermaßen fassungslos, dass er tot ist. zum einen, weil niemand so früh sterben sollte, egal wie und warum. zum anderen, weil in den vergangenen wochen einfach viel zu viele menschen gestorben sind, ganz generell. außerdem bin ich verwirrt. auch, wenn wir uns primär offline kannten, so gehörte joerg-olaf auch zu meinem online-leben dazu, schon viele jahre, bevor wir uns in der nominierungskommission kennenlernten. seine profile sind überall noch da, haufenweise leute in meiner timeline schreiben nachrichten @joschaefers. "er muss das alles doch noch irgendwie zu lesen kriegen", dachte ich heute irgendwann total irrational. "bestimmt kommt er bald wieder, das wird ja dann total seltsam, wenn er das alles liest."

ähnlich verwirrt werde ich bestimmt auch im frühjahr nächsten jahres sein, wenn die nomierungskommission wieder in dem konferenzraum des angenehm unscheinbaren hotel in düsseldorf sitzen wird. ohne joerg-olaf, und ohne die von ihm angestifteten debatten, um der debatten willen, ohne sein fachwissen, ohne seine leidenschaft.

godspeed, joerg-olaf. godspeed.