Freitag, 20. März 2009

"als letzter in einer verwertungskette, an deren anfang man heulen und an deren ende man kotzen will"

"manchmal ist man es als kritiker oder was auch immer einigermaßen leid, den sozialen katastrophen sowie ihren medialen schatten hinterherzuschreiben, als letzter in einer verwertungskette, an deren anfang man heulen und an deren ende man kotzen will. aber es gehört zur aufgabe, auch noch der verkommensten gesellschaft wenigstens angebote zu machen, noch das unerklärlichste in einen diskurs zu bringen. denn was nutzt es uns, die trauerrituale der trobriander zu verstehen und unserem eigenen medialen trauertanz mit fremder empörungslust zu begegnen? andererseits hat die verwertungskette der medialen hysterie immer nur ein ziel: dass nichts verstanden wird und alles bleibt, wie es ist. dazu passt, dass der amokläufer sich als naturkatastrophe inszeniert, grotesk, irrational, unver­ständlich. er »explodiert« inmitten seiner eigenen kultur, inmitten seines eigenen alltags, und wie bei einer naturkatastrophe gibt es immer anzeichen dafür, dass man es hätte kommen sehen können. und es kommt doch immer überraschend und macht alle fassungslos."
[ georg seesslen: ödipus mit waffe|jungle world]