Dienstag, 20. Juni 2006

lost in translation.

ich weiss nicht, was los ist, aber dieser tage/wochen/monate erwische ich beim griff ins regal mit den leseexemplaren grundsätzlich nicht so toll übersetze bücher; übersetzungen, bei denen man die säume sieht, und bei denen man als jemand, der zu gut englisch spricht, liest, was der autor auf englisch geschrieben hat, weil der übersetzer es nicht hingekriegt hat.

ich habe gerade 'eine zu 85% wahre geschichte' von chuck klostermann angefangen; goldige idee, schöne erzählstimme, popkultur und musikjournalosmus galore, aber auf den ersten sechzig seiten bin ich schon so oft über die holprigkeiten der übersetzung gestolpert, dass ich nicht auf deutsch weiterlesen würde, wäre die geschichte nicht so nett, und würde es nicht mindestens drei tage dauern, das buch in der originalausgabe zu bekommen.

es ist noch nicht mal die tatsache, dass die übersetzerin den satz '[...]sie wollte lieber die beatles hören als ihren persönlichen jesus, bruce springsteen. mit der fussnote anspielung auf den depeche mode-titel 'you own personal jesus'versetzt, was ja ohnehin sachlich falsch ist, und überhaupt so ziemlich jede popkulturreferenz und jede biersorte mit einer erklärenden fussnote versieht, was überaus irritierend ist, weil der autor selbst auch fussnoten benutzt, nein, der flow fehlt einfach, der mut weg von der ganz genau wortgetreuen übersetzung.
es fühlt sich an, als wollte die übersetzerin auf jeden fall total huntertprozent sicher gehen, den text ganz genau so lassen wie er ist, was ja ein schönes ziel ist, klar, aber genau das den text nicht funktionieren lässt. das gefühl hinter den worten passt nicht, und am eigentlichen sinn wird, wegen der wort-treue, so ganz knapp dran vorbei geschrappt. schade.

noch schlimmer war es mit helen walshs 'brass'. übersetzt fühlte sich die geschichte unglaubwürdig und weit entfernt an, den stimmen der beiden erzählern fehlte die -uh!- authentizität, und im endeffekt liess mich das alles kalt, und ich fragte mich, was der hype um den roman sollte. susa hatte ihn dann im original herumliegen, und bei gott, was für ein unterschied. wo 'eine zu 85& wahre geschichte' das popkulturproblem hat, hat 'brass' das slangproblem, und ist ungefähr so leicht zu übersetzen wie irvine welsh. dummerweise haben die übersetzer von 'brass' den dreckigen slang, all die wörter für huren und koks und den sound der liverpooler unterschicht in abwesenheit eines deutschen äquivalents einfach ganz rausgenommen, und damit haben millie und co. ihre stimme verloren. schade drum.

ich les 'eine 85% währe geschichte' jetzt trotzdem mal weiter, denn wenn ein autor, folgenden absatz schreibt (selbst wenn er nicht so toll übersetzt ist, und es im folgenden zum beispiel 'fraktion' heissen müsste, nicht 'kontingent', die stelle mit brooklyn und interpol aneckt, und der letzte satz so strenggenommen keinen sinn macht), dann kann er sich meines interesses an seinem gesamtwerk sicher sein:

'bei spin beispielsweise gbt es zwei lager: das pot/credence-kontingent und das koks/interpol-kontingent. die pot/credence leute gehen um viertel nach sechs in unpopuläre bars, trinken miller highlife bis 21:00, rauchen um 21:20 gras und diskutieren dann zwei stunden darüber, warum der credence clearwater revival song 'ramble tamble' eine komplexe wahrheit über vietnam vermittelt, obwohl es in dem text von 'ramble tamble' überhaupt nicht um krieg geht. diese diskussion endet etwa um 23:20, und um diese zeit verlassen die mitglieder des koks/interpol kontingents endlich ihre wohnungen und fangen sofort an, in den toiletten von semischwulen tanzclubs linien zu ziehen; neunzig minuten später versuchen sie dann, sich an die mitglieder der semibeschissenen brooklyn band interpol zu hängen, in der hoffnug, dass die gut gekleideten affen in dieser band fähig sind, besseres kokain und luxuriösere toiletten aufzutreiben.
das positive am pot-kontingent ist, dass man intellektuell und hungrig wird und weit weg ist von allen leuten, mit denen man eventuell gern schlafen würde; das positive am koks-kontingent ist, dass man sich super toll und tanzfähig und allein fühlt, und zwar so ziemlich die ganze zeit.'

[und ja, genau, ich mag diesen absatz, weil er macht, dass ich an jemanden denke, der mal mit interpol gekokst hat, und mir davon genau so stolz erzählt hat, wie von seinen anzügen. ich musste noch mal an ihn denken, gute dreissig seiten später, als der erzähler zum joggen ein weezer t-shirt überzieht. ha.]

[und mein gott: noch mal zwanzig seiten später, und ich will chuck klosterman heiraten, denn dann legt er dar, warum kid a der soundtrack für den elften september ist, und zwar detailliert und mit lyrics-zitaten. erster schritt: email adresse herausfinden und ihm das elfter-september-radiohead-konzert-bootleg schicken. oh ja.]