Sonntag, 13. November 2005

alles unter kontrolle. [for a feeling you can't find.]

sonntag morgen. 10am. die wahnsinnigen versammeln sich zur spinningstunde, eine halbe stunde zu früh. vorher nach dem evangelium des david den bauch trainieren, im grossen saal, in der sonne; der medizinball, eine fünf kilo scheibe, die stimme von emily haines und ich. sie ist auch beim einfahren dabei, wozu reden mit irgendwem, dazu bin ich nicht hier, ich will ganz stumpf in die zone; dahin, wo nichts mehr geht, denken nicht, vorallem, und bis es damit losgeht will ich frau haines. how am i gonna know you're letting me down | how did i end up on the ground. gute frage, eigentlich. dann kommt marcus, sexy marcus, heute leider keine weisse radhose, tschüss, frau haines, und heute fahren wir wieder nur einen berg, einen einzigen berg. 8km aufstieg. 40 minuten anstrengung. bei gleicher übersetzung, gleicher radeinstellung, im sitzen. aber steigendes tempo. und serpentinen, im stehen. das ziel ist 90% belastung, am gipfel. die abfahrt wird dann easy. die genaue strecke kennt nur marcus. und wir fahren als team. keiner darf fallengelassen werden. aber erstmal zehn minuten einfahren, ein paar wellen, und dann geht es los, und wie es los geht. als marcus "zwei kilometer" ruft, bin ich schon fast in der zone. die fuckige musik wird immer schneller. wir haben mit 12kmh angefangen. jetzt sind wir bei 14kmh. oder so. oder irgendwo. ich versuche auszurechnen, wie lang wir dann noch für die nächsten 6km brauchen, aber wie ging das noch? kilometer pro stunde. also 14 kilometer pro stunde. also sechzig durch vierzehn. oder vierzehn durch sechzig. ach scheissegal, tut weh. alles. und das ist toll. ich kann eigentlich schon nicht mehr, so in normalen kategorien gedacht, aber das hier ist spinning, daran ist nichts normal. also weiterweiterweiterweiter, und das einzige was ich denken kann ist, wie sehr ich die frau links neben mir dafür hasse, dass sie eine hässliche raduntaugliche gelbe esprithose trägt, auf deren rechten bein eine lose tasche mit metallösen befestigt ist, die bei jedem ihrer tritte klirren. klirrr - klirrr- klirrr- klirrr. und das bei der trittfrequenz. siebzig klirrer pro minute, mindestens. oder achtzig. phantasien, sie mit dem ellenbogen vom rad zu stossen, robbie mcewen style. klirrr - klirrr - klirrr - klirrr - kraaaachhhh. kilometer 3 mit 14.5kmh. klirrr- klirrr - klirrr - klirrr. aber plötzlich ist da die leere, die zone. klirren, welches klirren, nur noch tretentretentretentreten, die spiegel sind schon lange beschlagen, mein rotes top dunkelrot verschwitzt, schweiss auf dem boden neben meinem rad, und die musik ist scheisse, natürlich ist sie scheisse, wie auf einer dorfparty in b., circa 1992, sauerland, mein herz schlägt für das sauerland | begrabt mein herz im lennesand | lena wie ein zarter warmer wind | wenn die tage stürmisch sind | lass ich mich zu dir treiben | seelen aneinanderreiben | verdampt lang her verdampt lang verdampt lang her und das ist alles furchtbar, aber letztendlich auch egal, sag mir nur, musik, wie schnell ich treten muss, tretentretentretentreten. kilometer vier mit 15kmh. kilometer fünf mit 15.5kmh. "wer jetzt abreissen lässt, lässt die gruppe in stich, immer am hinterrad des vordermanns bleiben." ruft marcus, le tour pour losers par excellence. kilometer 6 mit 16kmh. und irgendwann, kurz vor kilometer sieben, in einer kurve, im wiegetritt stehend, am lenker fest halten, ichkanndochnichtmehr, da bin ich nicht mehr in der zone, fuckfuckfuckfuck, nein, da bin ich über sie hinaus, und fucking hell, there goes my control, hier wollte ich nicht hin, denn obwohl nichts mehr weh tut, nein, einfach tretenziehentretenziehentretenziehen alles sehr ausserkörperlich, fast wie sex. wo hör ich auf, wo fängt das rad an. obwohl das sich gut anfühlt, körperlich, auf diese kranke, gestörte weise, bin ich eine halbe sekunde, einen halben atemzug davon entfernt, in tränen auszubrechen. weil sie plötzlich da sind, die fuckigen emotionen, alte ratten, die. nur mal eben vierzig minuten rad fahren am limit, und dann bin ich schon schwach, dass ich sie mal wieder bemerke, als wenn ich das wollen würde, sie fühlen sich so jämmerlich und lächerlich an, kein wunder, dass ich die nicht haben mag, diese gefühle, wirklich kein wunder. hinter der zone ist es wie bei flatliners, dahinter ist der horror, haha, fehlt nur noch kiefer sutherland, ein getreidefeld und der bellende hund. also mal atmen, nicht so tief, nichtschluchzen, nureinbisschenschluchzen, atmen, nichtschluchzen, atmen, nichtschluchzen, atmen und weitertreten einfach weitertreten und als geegnmassnahme die feststellschraube anziehen, eine halbe umdrehung, ha, schaun wir mal wer hier die kontrolle hat, und auf die musik hören, she's a maniac, maniac on the floor und auf marcus, der schreit, dass es noch ein kilometer ist, ein kilometer nur noch, jetzt fahren wir 16.5kmh, und der moment ist vorbei und ich fahr den letzten kilometer wie im wahn, wegwegwegwegweg, wovor fahr ich eigentlich weg, haha, und da sind wir schon bei kilometer acht. mit 17kmh. und irgendwie geht es noch tretenziehentretenziehentretenziehen, und die letzten meter, die fuschelt marcus, denn die sind zu langsam, viel viel viel zu langsam, bei der übersetzung die ich da theoretischpraktisch fahre, da bringt mich ein tritt schneller voran, als er die meter runterzählt, aber egal, ach, egal, alles egal, alles sowas von egal, hauptsache kontrolle, und dann die letzten meter zum gipfel, visionen von team discovery und dem ventoux und der tour und namen auf der strasse und überhaupt, und dann der gipfel und die schraube lösen, ganz lösen, und es ist plötzlich alles leicht, leichtleichtleicht und dann nur noch cruisen, den berg runtercruisen, nach hause cruisen, dehnen, das radwischen, den boden wischen, und dann wirklich nach hause cruisen, aber davor noch mal kurz frau haines wieder ins ohr tun, und mal eben präventiv 2700kg mit schultern, brust und trizeps bewegen, alles wieder unter kontrolle bringen, und dann durch die kälte, welche kälte, oh, süsse endorphine, zur strassenbahn laufen und nach hause cruisen lassen und die kalten verschwitzten sachen ausziehen und die trashigsten zuhauseklamotten an und in bett legen, ungeduscht. schlaf ist ja auch irgendwie kontrolle. shake your head, it's empty. wie konnte ich eigentlich mal ohne spinning leben?