Mittwoch, 8. Juni 2005

the lies we tell are bound on film.

dieser tage einiges nachdenken über bilder im weitesten sinne.

bilder die man sich von menschen macht bevor man sie trifft, auf basis von photos, geschriebenem, gehörtem. bilder die man sich von menschen macht, während man sie kennen lernt. und dann natürlich auch über bilder die man tatächlich macht. photos.

dazu passend am sonntag abend, ein paar brocken one hour photo.vor drei jahren auf irgendeinem flug von oder nach melbourne, da habe ich ihn gesehen, diesen film, und er passte gut zu diesem moment.

ich mochte es, mag es noch immer, das filme gucken bei langstreckenflügen. im dunkeln sitzen, müde und dehydriert und zwischen den zeiten und zwischen den orten hängend auf den beginn des filmloops warten, auf entertainement aus der seltsamen airlinevorauswahl. bis dahin die landkarte anstarren auf der sich das kleine flugzeug praktisch nicht bewegt, denn da unten, das ist indien, das ist riesig. alternativ super mario brothers spielen und immer an der gleichen stelle sterben. immer.

ich mag reisen, fliegen, zugfahren. es zwingt einen in den 'present moment', ins 'now'. das ist gut. immer. wenn einem dabei langweilig ist, dann macht man was falsch.

auf einem der flüge nach melbourne, mit singapore oder cathay pacific, da geriet ich mitten hinein in 'one hour photo'. vielleicht war ich bei einem anderen film eingeschlafen. plötzlich hing ich mitten in diesem film und konnte nicht fassen was robin williams dort tat, konnte das screendesign nicht fassen, die visuals, diese dauernden shots auf photos, wunderschöne alltägliche photos.
ich hab bald weggeschaltet, mario brothers gespielt und auf den beginn des nächsten loop gewartet. so einen film muss man richtig gucken. nicht mittig bis mittig.

sonntag abend also ein paar hapse 'one hour photo', und er war immer noch so schön aussehend und freaky und seltsam wie ich ihn in erinnerung hatte. diesmal aber bei den endlosen snapshot-shots extensive flickr assoziationen.
von der story, von der spannung abgesehen, liegt die schönheit des films darin, dass er eine hommage an das photo als institution, als erinnerungsträger, als mittel der macht, als mittel der illusion ist.

es geht dort um eine art des photos, die in manchem sinne aussterbend ist.

sy, der einsame, wahnsinnige photo clerk sinniert darüber, dass photos das leben darstellen, ohne die realität abzubilden.
menschen fotografierten nur die besonderen, die glücklichen momente des lebens um zu zeigen, dass sie gelebt hätten.

"nicht die wespe auf dem marmeladenbrot oder das getragene heftpflaster."

obwohl der film erst 3 jahre alt ist erscheint mir das heute anders. photographie ist schneller, wahlloser, billiger, direkter geworden. alles kann festgehalten, kontrolliert, gelöscht werden. alles wird festgehalten, kontrolliert, gelöscht. für mich macht das den reiz aus.

die nichtperfekten momente, die nichtgestellten photos, die seltsamen bilder, sind die bilder, die für mich den längsten wert haben, die es wert sind bewahrt zu werden.

samstag abend war ich bei einer vernissage, in begleitung von ben, britischer historiker, fachgebiet ww ii, freitag kennen gelernt und deswegen noch nicht familiar mit meinem flickr habit. ich machte ein paar photos von ihm während wir in einer kleinen runde im innenhof des waschsalons standen und redeten. wie man das so macht, wenn man flickrt.
ben war ein bisschen irritiert, wie alle leute, am anfang, und ich stellte die kamera auf leise und machte weiter und sagte ihm er solle nicht drauf achten.ein photo gefiel mir schliesslich ganz gut, und ich zeigte es ihm. es war ein photo seines gestreiften hemdes. sein gesicht sieht man nicht.
warum ich ein photo von ihm machen würde, auf dem man ihn nicht erkennen würde, fragte er mich. ich sagte ihm, dass es zum einen ist ein schönes gestreiftes hemd sei, zum anderen, dass das photo vollkommen ausreichend sein würde und wird, um mich an diesen moment, diese unterhaltung, diesen abend zu erinnern.

photos die nicht so viel zeigen haben für mich den größten wert.
denn: photos haben die macht erinnerungen zu formen.

ein nachteil von 'direkten photos', von photos ohne subkontext, ohne kryptik, photos die tatsächlich 'abbilden' ist eben diese macht. denn: diese macht beschränkt.

in neuseeland, vor fast 10 jahren, da habe ich in 4 monaten 36 rollen film wegfotografiert. denke ich heute an neusseland, an einen bestimmten moment, zum beispiel in dem ich in der nähe von punakaiki an der falschen stelle aus dem bus gestiegen bin, da sehe ich als erstes das photo von diesem moment vor mir. ich sehe die cabbage trees und die wolken und den urwald, rechts der strasse, und das meer, so wie ich sie fotografiert habe. ich sehe nicht das, was wirklich war, was ich wirklich erinnere. es braucht einige zeit, einige anstrengung, sogar, um den wirklich moment abzurufen. das photo, die erinnerung an das hundermal gesehene photo ist schneller da, schneller als die echte erinnerung, denn sie passierte ja auch nur einmal.
das ist schade.

ich denke an meine flickrphotos, und viele, nein, die meisten von ihnen haben subkontext. - deswegen mag ich sie.

[eine hand mit einem lederring neben einer schachtel nil auf orangenem holz. zwei ampullen blut. eine moleskine seite. ein zerwühltes hotelbett. füsse an einem fensterrahmen. ein autobahnschild auf der a 59. eine stuckdecke. ein mann sitzt auf einem steg und telefoniert.]

natürlich bilden auch diese photos einen moment ab, sind zum teil vielleicht auch noch hübsch anzusehen, artsy, sogar. aber sie haben eine darunter liegende ebene, die mir wichtiger ist.

'keep-sake boxes that preserve fragments of the past.'

das ist viel. sehr viel.

die undercurrents von photos sind nicht immer gut.
photos bewahren auch lügen.
photos können zu gut sein, jemanden zu gut aussehen lassen. photos zeigen falsches lächeln, falsches glück.
eine der stärksten szenen von 'one hour photo' ist eben auch die, in der sy beim entwickeln photos entdeckt, dass will yorkin eine affäre hat. er blättert sie langsam durch, die von der geliebten gemachten photos, und erst sind es nur shots von ihr,lächelnd, einen cocktail trinkend, und dann plötzlich will yorkin. man weiss, was kommen wird, was kommen muss, wie sie aussehen werden, die bilder, wie sie intimer werden, und dann sind es die standardshots eines verliebten paares, die sy da anguckt.
und sie sind eben auch mehr. sie zeigen, dass die perfekte familie kaputt ist.

[nebenbei bemerkt. ein weiterer interessanter aspekt von photos:
durch lebenslange visuelle prägung machen wir die die immer gleichen photos, fotografieren die gleichen szenen, konstellationen, geburtstage, hochzeiten, urlaube, neue autos. aber vielleicht stirbt auch dies aus, dank der digitalen photografie. vielleicht sind es heute stattdessen mirror shots. auch ein interessanter gedanke.]

sy bemerkt, an anderer stelle etwas, das weiterhin gültigkeit hat. noch mehr gültigkeit, vielleicht.

photos würden auch deswegen gemacht, um zu beweisen, dass man gelebt hat, als individuum, dass man etwas gemacht hat, etwas bedeutendes, dass man jung war, und schön und geliebt wurde.

treffend betrachtet, finde ich. keeping this in mind, so ist es gar nicht verwunderlich, warum kameras immer wieder auf das selbst gerichtet werden, in spiegel gehalten werden, dass das me tag so zentral bei flickr ist.

'schau her, ich bin.'

[ein schlauer schlussgedanke mag mir gerade nicht einfallen. meine camera ist in meiner tasche. ich werde heute abend mehr photos von ben machen. sicher auch über eben dies mit ihm reden. und dieses wochenende wird es viele photos voller kryptik geben. just because.]