Mittwoch, 23. März 2005

ice 928.

sonntag, 20.märz 2005.
schon der bahnsteig ist voll. na wunderbar. wie erwartet: proppenvoller zug. enge. und dazu auch noch ein ice eins. wunderbarst. warum wollen sie alle nach hamburg am späten sonntag morgen? ich hab einen guten grund. sie auch?

danke, fahrkartenautomat, dass du mich ins abteil gesetzt hast. fucking hell.

darin: am fenster mutter mit junge, ca. 11, der sowohl eine digitalkamera als auch einen normalen fotoapparat dabei hat, und im laufe der fahrt immer wieder zug-, bahn- und streckendetails besprechen will. wunderbar.
ich will ihm sagen: "halt durch, kleiner, in 10 jahren, da wird dein leben besser sein, und du cool, wenn du es richtig machst. geeky teenager sein ist scheisse, aber es gibt hoffnung. hauptsache du hörst neben der geekiness gute musik."

dann eine frau, mir gegenüber, die "schlafes bruder" in der hand hält, aber nicht liest, sondern melancholisch durch die abteiltür nach draussen schaut. wo sie wohl hinfährt? warum?

auf den mittelsitzen der alptraum.
ein schleswigholsteinische ehepaar, er entweder pfarrer, oder stadtrat von bargteheide. beide ende 50. sie machen was mit flüchtlingen, das sieht man sofort.

sie ist beige. alles an ihr ist beige, faltig und langweilig. sie hat sich in variationen von naturfarbenen naturmaterialien gewickelt.
er hat es besser gemacht, das altern, klare augen, klarer blick, wie das so müslimänner häufig machen. askese und bart. im singkreis seiner gemeinde könnte er sicher die eine oder andere frau flach legen, mit leichtigkeit. er ist der typ, der bei frauen erfolgreich auf empfindsam macht, auf tantra und ausdauer, aber dann den schmutzigen bösen sex will. yeah.

sie ist schlimm. frustriert. anorgasmisch. betroffen.
neben ihm liegt die "le monde diplomatique" beilage der taz. er liest "der schlepper - zeitung der schleswigholsteinischen flüchtlingsarbeitsgemeinschaften". nichts gegen flüchtingsarbeit. aber das?
seltsames gefühl, wenn man recht hat und der erste eindruck schmerzhaft bestätigt wird.
unglaublich.

das schlimmste aber ist: man hat zwei metallene thermoskannen von ikea dabei.
auf den deckeln mit einem brother tp hergestellte labels "kaffee"/"tee". man trinkt weder kaffee noch tee, sondern mixt -nein, wirklich- ovomaltine an. im zug. der geruch durchwabert das abteil.

ich bin so ekelhaftfasziniert von den beiden, dass ich es verpasse, bei der anfahrt auf münster erinnerungsbehaftete landmarks anzugucken.
welch versäumnis.

die frau hasst mich. sofort.
ich frage mich warum.
obwohl: einfach eigentlich.
weil ich halb so alt bin wie sie. weil mein shirt so weit aufgeknöpft ist. weil ich fiebrig das handy anstarre (handy! werk des teufels!), da in berlin ein zwerg fiebrig ist, und mein wochenende gerade einen cliffhanger der art kriegen könnte, den ich echt weder will noch brauche. weil ich zum telefonieren rausrenne und über alle ohren grinsend, sex-flushig zurück komme.

sie zeigt es mir auch, aber klar doch.
als ich den trusty discman raushole und ihn mir mp3 liefern lasse, zurücklehnen, vorfreude, erregung, erst kuschelig air, dann bright eyes und dann, aber klar doch, nada surf, das ist naturgemäss lauter, da -NEIN WIRKLICH!- fasst sie mich an! mein knie! tätschelt mich!
ich erschrecke, schrecklich, denn ich, zug, musik, vorfreude, das ist trance.
sie weist mich an, ich solle doch bitte die musik leiser machen, das wäre belästigung. sie duzt mich.
fucking hell frau, wenn sie mich anfassen, wenn sie mich duzen, das ist belästigung.
ich lächel nett, aber ja doch, kein problem, dreh leiser. wenig später dann, als sie schläft, rauf mit dem volume.
befriedigende minirevolte. oh ja,

mutter und sohn gehen mittagessen. frau mit "schlafes bruder" schläft.

jetzt könnte man gut, abteilintern, ein kleines protestantisches friedenslied singen. "ihr mächtigen ich will nicht singen" vielleicht. oder was lobpreisendes. ich schlage vor: "laudato si". das eint so schön.

draussen: rehe.
warum sehe ich neuerdings beim ice fahren immer rehe? früher ist das nie passiert.
gibt es heutzutage mehr rehe? weniger füchse? verlieren sie die angst vor ices? sind die strecken in norddeutschland einfach naturnäher?

später: bremen.
wann war ich eigentlich das letzte mal in bremen? sicher schon 3 jahre her. war das mit evan? erinnerungen verschwimmen ein wenig.

der himmel draussen: blau. die sonne scheint. aber es fällt kein direktes licht in den zug, scheiss tageszeit dafür, scheiss jahreszeit dafür, scheiss zug dafür. ich friere.
oder ist das schon die vorfreude? lustig.

ansonsten: gedanken an den kranken zwerg.
das war echt sehr knapp. sehr sehr sehr knapp.
ich hatte den ganzen morgen das bedürfnis scherzhaft per sms nachzufragen, wie es ihm dem geht, dem zwerg, ob er auch ja keinen magen-darm-infekt hat. hatten immerhin gross und breit drüber geredet, die woche. hab aber keine derartige sms geschickt, weil es mir wie heraufbeschwörung des unheils vorkam.
unglaublich.
fühle mich unwohl deswegen, obwohl ich weiss, dass er geblieben wäre, wenn es nötig gewesen wäre. von der frau fernhalten ist ok, das ist sein deal. vom zwerg fernhalten ist nicht ok, gar nicht.

aber nun gut. er ist auf dem weg. ich auch.
alles wunderbar. alles unter kontrolle.
ich hab ihn so nötig. sowas von nötig.

bucholz/nordheide.
war das nicht hier am bahnhof am tag, 2h zeitunglesen in der sonne am tag nach dem tod von lady di, auf dem rückweg von timm? hmmm. ich glaub schon.

gleich hamburg.
mutter und sohn wieder da. er freut sich auf hamburg, erstes mal da, redet mit der mama über die verschiedenen bahnhöfe, über aussen- und binnenalster, ist aufgeregt. "ist das jetzt schon die alster?" nein nein, aber gleich.
ich bin auch aufgeregt. sachen zusammen raffen jetzt. dann raus hier.
dann 20 minuten die sicher wie die ewigkeit sein werden.

dann er.
endlich.
es wird zeit.
es ist zeit.