Sonntag, 27. März 2005

flickrexhibitionismus et. al.

bei mediumflow vor einigen wochen weisheit gelesen, an die ich heute, beim täglichen flickrn, denken musste:

"bei flickr, die sets anderer menschen und leben, die einen interessieren, immer nur als slideshow und dann auch nur mit höchster durchlaufgeschwindigkeit, 1 sekunde pro bild, anschauen.

anders das offenherzige abbilden eigener intimität derzeit noch kaum ertragen können. so etwas wie g’schamige ungeduld.

irritierten blognovizen ist’s wohl einmal auch so ergangen."


ist es, jawohl.

ich erinner mich noch genau an den moment, als shauny von opendiary weg ging und das richtige bloggen anfing, und das erschien mir so viel mehr öffentlich als das was wir alle bei opendiary getrieben haben, dass ich es kaum ertragen konnte.
bloggen, das hab ich nicht richtig verstanden. zudem irgendwie für zu hip für mich gehalten, zu wild, zu öffentlich.

das hielt nicht lange an. aber das war der erster eindruck, jawohl.

flickr ist seltsam und macht seltsame dinge mit einem.
was ich da so uploade ist in vieler hinsicht mehr seelenstrippen als 5 jahre bloggen.
zudem macht es aus dem 5 jahre bloggen noch größeres seelenstrippen.

damals, in den tagen von opendiary, hab ich keine namen benutzt, nur abkürzungen, keine ortsbezeichnungen, keine photos, gar nichts, hab versucht es alles ganz anonym zu halten, so weit es geht. wie paradox: online schreiben, aber wenn, dann bitte anonym. so ein unsinn.

ich erinner mich noch vollkommen klar an den moment, an dem ich das erste mal den publish button bei opendiary geklickt habe. ich hatte in dem moment das gefühl, mich vor einer gruppe menschen auszuziehen.
das veflog sich mit der zeit mehr und mehr.

heutzutage pflastern photos von zu hause, photos von mir, halbephotos vom liebsten, diese seiten und flickr.
und es macht mir gar nichts. oder fast gar nichts.

seltsam war es vor ein paar wochen, da zeigten sich auf einmal drei, vier, fünf andere menschen aus freiburg bei flickr, und das war irgendwie too close for comfort. ist aber auch schon wieder verflogen, das gefühl.

mein flickr stream, kein jahr alt, hat mittlerweile fast so viele hits wie das alte blog, vier jahre alt.

dieses offenlegen von intimität, "schau her, das hab ich zu abend gegessen", "schau her, das bin ich im spiegel, mal wieder", "schau her, das ist der mann", und "schau, er hat da so einen ring, und ich nicht", "schau her, das mag ich, das nicht", "schau her, so seh ich die welt" ist das der histrionisch-narzistische nebeneffekt der spassgesellschaft?

man ist nicht, man existiert nicht, wenn man nicht gesehen wird? macht man sich mit sowas nicht zum einwohner eines zugegebenermassen selbstgestalteten big brother containers und versucht sich vorzugaukeln das es ja gar nicht so schlimm ist, indem man dem ganzen den anstrich einer narzistisch-künstlerischen online community verpasst?
oder ist es einfacher: stumpft man ab was intimität angeht, je länger man sein leben zum teil online bestreitet?

ich weiss es nicht.
ich kann mein flickrn so wenig erklären wie mein bloggen.

ich sag ja gerne: "persönlichkeitsstörungen sind geil, da kennt man zu jeder einen beispielmenschen".
bisher hatte ich mir immer, fast eindeutig, die anankastische persönlichkeitsstörung zugeordnet. vielleicht muss das urteil revidiert werden.

denn das seltsamste am flickrn ist dies:
bizarrerweise, entgegen aller moralischer bedenken, aller bedenken bezüglich einer möglichen daniel-kübelböck-mässigen histrionisch-narzistischer persönlichkeitsstörung, fühlt es sich gut an, das seelenstrippen bei flickr.

flickrexhibitionismus.